MYONET - Atlas Musculatur Orofacial System |
Atlas Musculatur: Besonderheiten,I,5 bis 13 |
Erhard Thiele 14 | Atlas Musculatur Gliederung | MYONET.Gesamtprogramm inhaltsübersicht |
I/5. (M. buccinator) Auch dieser Muskel wurde schon im Vergleich mit dem Gürtel erwähnt. Noch hervorzuheben ist die Tatsache, dass dieses Dreiergespann durch Massierung und Überkreuzung in der Gürtelmittelregion, dem Äquator, einen Wulststreifen ausbilden kann, der, ähnlich dem Modiolus, hier nun gegen die Seitenzähne drückt und so physiologisch den Zähnen den Halt gegen den Zungendruck bietet. Er manövriert als Gegenspieler des Zungenrandes die Speisen zur Zerkleinerung präzise zwischen die Kauflächen der Zähne. Allerdings gibt diese Gestalt auch den später zu besprechenden Anlass zu Dysfunktionen.
Rauber-Kopsch beschreibt die Verflechtung von Orbicularis und Buccinator als Musculus buccolabialis. Nach dieser Beschreibung gehen auch Fasern in den Mentalis über, was ebenfalls dysfunktionelle Probleme auslöst. Eine weitere funktionell interessante Tatsache ist die Art, in der der Muskel seinen kontinuierlichen bogenförmigen Ursprung vom Oberkiefer- zum Unterkieferseitenzahnbereich gestaltet. Im hinteren Bereich, dem Übergang vom Ober- zum Unterkiefer, ist er fixiert an der Raphe pterygomandibularis. Diese Zwischensehne verbindet ihn als gemeinsame Fixierung mit dem M. constrictor pharyngis superior (Schlundschnürer) und ist zwischen dem Hamulus pterygoideus und der Buccinatorleiste des Unterkiefers gespannt. Hierdurch ist eine anatomisch-physiologische Verbindung direkt in den Schluckakt hinein gegeben, die auch funktionelle Konsequenzen hat. Man könnte sagen, die Speisen werden vom ”Mundschnürer”, dem Buccinator, an den ”Schlundschnürer” weitergereicht; hier bieten sich wieder Bezüge auf die genetische Anlage der Peristaltikwelle aus dem Wurmstadium an, die vermuten lassen, dass eine solche Muskelaktion noch im gegenwärtigen Stadium den Organismus vom Orbicularis bis zum Sphincter ani durchläuft.
I/6. (M. zygomaticus) Der Muskel zeigt sich als ein breites, V-förmiges Band, das nomenklatorisch in eine Pars maior und minor eingeteilt ist. Durch sein Einstrahlen mit Oberflächenfasern in die Mundwinkelhaut, mit tiefen Fasern in die Ober- und Unterlippe, dominiert er das Aufwärts/Seitwärts der seitlichen Mundpartie. Man beobachtet auch ein Fehlen der Zweiteilung zum V. Manchmal wird der Muskel zusammen mit dem Levator der Oberlippe (8) von der dünnen Muskellage des M. malaris überdeckt, der mit dem Augenringmuskel im Zusammenhang steht (Grimassieren beim Schlucken bis in die Augenregion). Gerade solche Besonderheiten im Bau sind es, die versteckter Anlass sein können für Neigung oder Prädestination zu Fehlfunktionen und daher unsere Aufmerksamkeit verdienen. Der Zygomaticus hebt den Wulst unserer Radspeichennabe von der Eckzahnregion ab und enthebt diese so der zentripetalen Druckkomponente.
I/7. (M. risorius) Dieser Zug agiert bevorzugt gemeinsam mit Zygomaticus (6) bei Freude und mit Levator labii superior (8) bei Verachtung (s. Abb. 18). Er gehört zu dem Dreigespann (5-7-4-7-5), die unseren Gürtel bilden. Er ist für das Wangengrübchen verantwortlich; er ist erheblichen Variationen unterworfen, wie beispielsweise völligem Fehlen oder Verdopplung, verlagertem Ursprung am Jochbeinbogen, dem äusseren Ohr oder dem Processus mastoideus. Als Muskel der oberflächlichen Schichtung kann er sehr zum Andruck – zentripetale Komponente – beitragen. Ihm wird die Fähigkeit nachgesagt, ein teuflisches Grinsen zu bewerkstelligen (S. 21, Gray).
I/8. (M. levator labii superioris) In seltenen Fällen wird sein Fehlen beobachtet. Man kann ihm neben dem Anheben der Oberlippe auch ein Ausstülpen zuschreiben.
I/9. (M. levator anguli oris) Er ist stark mit anderen Muskeln der oberen Mundwinkelregion verflochten und liegt unter dem Levator labii superioris (8) (Andruck). Er ergibt die Mittwärts-Komponente am Mundwinkel und so die Nasolabialfalte.
I/10. (M. depressor anguli oris) Aus der Kontraktion dieses Muskels resultiert eine starke Abwärtskomponente im Bereich unterhalb des Mundspaltes. Bedeutsame Variationsmöglichkeiten in der Morphologie wie Verbindung mit dem Platysma (13), als Musculus transversus menti (Kinnquermuskel) zur Gegenseite (senkrechte Kinnfalte zum Doppelkinn), zum Levator des Mundwinkels (9) werden beschrieben.
I/11. (M. depressor labii inferioris) Der Muskel liegt teilweise unter dem Depressor anguli oris (10) und steht oft in Verbindung mit dem Platysma (13), zieht im Unterschied zu letzterem mehr die Unterlippe als den Mundwinkel und bewegt mehr die Haut. Das Lippenrot wird nach aussen gewölbt, so dass die Lippen breiter wirken.
I/12. (M. mentalis) Er bildet an seiner Hautinsertionsstelle das Kinngrübchen und entsprechend häufig auch einen Wulst innen zum Vestibulum. Er ist von sehr variabler Grösse, wie er auch zwei Bäuche ausbilden kann. Er wird als ”sehr aktiv” beschrieben, teilweise auch im Schlaf, was wir als Hyperaktivität bezeichnen würden. Er schiebt mit Kinn und Kinnhaut alles Darüberliegende, wie beim Trinken, zu einem Flunsch zusammen.
I/13. (M. platysma myoides) Seine Fasern setzen an am Unterkieferknochen, in der Haut, am Unterhautgewebe und strahlen ein in die Muskeln im Bereich der Mundwinkel und der unteren Mundregion und verbinden sich mit Fasern der Gegenseite. Dadurch wird der untere Gesichtsteil des Kopfes über den Hals hinweg mit dem Brustteil des Körpers verbunden. Es nehmen also zwangsläufig und selbstverständlich Muskelaktionen im orofazialen System wie das Lächeln über das Platysma direkt Einfluss auf die Kopf-, Hals- und Körperhaltung. Dies liefert die Begründung dafür, dass wir uns auch mit der Muskulatur beschäftigen müssen, die hauptsächlich diese Haltung reguliert.