MYONET - Atlas Musculatur Orofacial System |
Atlas Musculatur: Physiologie VII |
Erhard Thiele 32 | Atlas Musculatur Gliederung | MYONET.Gesamtprogramm inhaltsübersicht |
1.6.2 Diskussion der Physiologie mit muskulären Besonderheiten und Fehlaktionen der Muskeln
des Areals VII – Kaumuskulatur –
Wie das orofaziale System sich mit vielen angrenzenden Gebieten in Morphologie und Funktion überschneidet, so gelangen wir auch hier in das stomatognathe System hinein, zu dem Ober- und Unterkiefer, die Kiefergelenke (Temporomandibulargelenke) und die dazugehörigen Muskeln zu rechnen sind. Wir werden in dieses Gebiet hineingezogen, wenn wir im Orofacialsystem Reflexe verfolgen. Diese seien kurz angedeutet:
Ruhe(schwebe)lage, Adduktoren(kau)funktion, Unterkiefervorschub beim Saugreflex, Fehler wie Wangen-, Lippen und Zungen- beissen, fehlerhafte Phonation und Artikulation, Kopfhaltung, Mundhaltung. Hier sei ganz speziell auf die OMH, die Offene Mundhaltung hingewiesen. Sind Zungen- und Lippenhaltung gestört, so ist der gesamte stomatognathe Apparat und darüber hinaus das craniocervicale System in Mitleidenschaft gezogen - aus folgendem Grunde: Der Unterkiefer wird ausser durch die auf der nächsten Seite erwähnte Muskulatur zusätzlich durch die pneumatischen Verhältnisse in der Gelenkkapsel und in der Mundhöhle in seiner schwebenden Lage gehalten (siehe hierzu Veröffentlichung auf der unten genannten Website vom Datum 26012011. "Zu den pneumatischen Verhältnissen im Stomatognathen System"(Claudia Scholz, E. Thiele, Kiel). Würde der Kieferkörper nur muskulär in situ gehalten, so würde dies eine stressgenerierende Dauerbelastung für diese bedeuten. Dies ist ein zusätzlicher, gewichtiger Grund für eine möglichst frühzeitige operative Korrektur von Spalten im Lippen-, Kiefer- und Gaumen-, Velumbereich.
Weiterhin zu einem Fall für die Myofunktionelle Therapie wird der
Patient, der Veränderungen an den Temporomandibulargelenken aufweist. Diese
Fälle begegnen uns einerseits, wenn Frakturen an den Gelenkfortsätzen des
Unterkieferastes (Ramus mandibulae) vorliegen, oder wenn ein Gelenkschaden an
den Gelenkflächen oder am Discus Intercondylaris aufgetreten ist. Dies kann sehr
wohl durch Fehlfunktionen wie Mahlen oder Pressen geschehen, als auch durch
entzündliche Veränderungen, zum Beispiel bei der JIA (juvenile idiopatische
Arthritis). Hier kommt die Therapie praktisch nicht ohne Hilfe der
Muskelfunktionstherapie aus. Bei Erwachsenen mag das mittels präzise für das
entsprechende Kausystem hergestellten Schienen noch möglich sein (Siehe:
Zeitschrift ZMK von
Januar/Februar 2009 erschienener Artikel von Dr. Margit Weiss, Möglichkeiten der
Schnarchtherapie durch den Zahnarzt, besprochen in:
www.ccmf.de/news/ccmfnewstitel.htm im Beitrag "21042011:
Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Kinder-. Und
Jugendrheumatologie, Sozialpädiatrisches Zentrum in Garmisch-Partenkirchen". Das gilt allerdings nicht für Gebisse, die sich in der
Entwicklungsphase (Zahnwechsel) befinden. Hier ist eine Schiene kontraindiziert,
da sie die Kiefer- und Gebissentwicklung hemmt. Näheres hierzu findet sich
ebenfalls auf der Website
www.ccmf.de/news/ccmfnewstitel.htm
unter dem Veröffentlichungsdatum
22092010,:"
Das MFT-Konzept in der Therapie von „Rheumakindern“ Claudia
Scholz, E. Thiele, Kiel, 20.09.2010"
Gemeinhin wird als Kaumuskel der Masseter als pars pro toto gesehen. Wir kommen aber mit ihm allein nicht aus, brauchen wir doch den Vorwärtsschub, den Rückwärtszug ( Pro- und Retrusion) und die Seitwärtsbewegungen (Translationen). Die eigentliche Kaumuskulatur besteht beiderseits aus generell vier Muskelzügen, die um das/vor dem Ohr angeordnet sind, am Kopfknochen (Hirnschädel = Neurocranium) ihren Ursprung haben und am Unterkiefer angreifen. Entwicklungsmässig stammen die Kaumuskeln aus dem ersten Kiemenbogen. Sie werden nerval-motorisch versorgt durch den N. trigeminus. Die Steuerung erfolgt über einen Regelkreis mit Zentrum (Kauzentrum) im Gehirn. Hierhin werden von sensiblen Nerven die Signale über Stellung und Belastung des Parodonts (der Zähne und Kiefer) gemeldet und aus diesen Informationen der Tonus der Kaumuskulatur reguliert. Interessant für uns, weil wir werden erklären müssen, wieso eine Zunge oder ein Daumen in der Lage sind, die Kieferbögen aufzubiegen. Wahrscheinlich müssen wir davon ausgehen, dass ein solcher Regelkreis auch in unsere Kugelschalen (Vergleich in Abbildung 16, Seite 10) eingebaut ist und das Innen mit dem Aussen balanciert. So können wir dann ein Unterbrechen des physiologischen Regelkreises z.B. mittels Daumen und daraus folgende Deformationen und Fehlgleichgewichte erklären. [Fehlgleichgewicht deswegen, weil die Regelkreissteuerung aus den eingehenden neuralen Informationen schliessen muss, dass ein physiologischer Zustand besteht, der jedoch durch irgendwie geartete Dysfunktionen vorgespiegelt wird.)
VII/1. (M. masseter) | |||||
Dieser Muskel ( innerer und
äusserer Anteil) hebt den Unterkiefer zentriert an; ihm wird bei
Mahlbewegungen keine Beteiligung zugeschrieben. Er ist hauptverantwortlich
für die Funktion des Abbeissen in den Frontzähnen und des Zerquetschens im
Seitenbereich zuständig. Ihm wird eine Druckleistung von 500 Gramm
zugeschrieben. Für uns sollte sich die Frage stellen, ob wir mit seiner
Beurteilung Charakteristisches über Fehl-(Unter-/Über-)funktionen aussagen
können. Zum Heben des Unterkiefers für den Mundschluss ist nur ein Bruchteil
seiner Maximalkraft vonnöten, ausserdem wird der Mundschluss auch durch den
inneren negativen Luftunterdruck aufrechterhalten. Dem äusseren Anteil des Muskels
kann ein leichter Vorwärtstrend in der Bewegung des Unterkiefers
zugeschrieben werden. Muskelaktionen werden sicht- und tastbar durch ein
Verdicken in der Wangenregion vor dem Kieferwinkel. Hier sind auch die Verbiegungen des Skelettes
bei Hyperaktivität erkennbar, wenn der Kieferwinkel,
meist beidseitig, nach aussen gebogen wird und so eine quadratische oder
umgekehrt-dreieckige Gesichtsform hervorruft; auch können in diesen
Muskeln dann die charakteristischen Myogelosen tastbar werden (seihe
MASSETERÜBUNG)
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