MYONET - Atlas Musculatur Orofacial System |
Atlas Musculatur: Fehlaktionen,I,1,2,3,4 |
Erhard Thiele 16 | Atlas Musculatur Gliederung | MYONET.Gesamtprogramm inhaltsübersicht |
I/1. (M. nasalis) Hypertension dieses Muskels zieht die medianere Region der Oberlippe aufwärts und gleichzeitig zentripetal und kann so bei nach oben geraffter Lippe den Mundspalt aufspringen lassen, wie beim Mundatmen. Der zentripetale Druck wird demnach von den Zahnvorderflächen aufwärtsverlagert auf den Alveolenrandknochen und die Zahnwurzelrgion. Die Zähne können kippen. Beteiligt sich der Orbicularis (4), und hilft dann noch der Mentalis (11) nach, um den Mundspalt in einer Hilfsaktion zu schliessen, so potenziert sich die zentripetale Komponente mit erheblichen Auswirkungen auf die Schneidezähne. Bei Hypotension sehen wir die Mittelregion der Oberlippe ausgesprochen voll und weich geschwungen, was das muskuläre Gleichgewicht nach zentrifugal verschiebt.
Bezüglich der Fehlaktionen und der für diese bestehenden myofunktionellen Therapiemögluichkeiten ist in der Übersicht über die Muskulatur dazu die folgende Rubrik geschaltet: |
Muskelübung:(wenn Sie diesem Link folgen, sollten Sie über Ihren Browser mit 'Pfeil zurück'auf diese Seite zurückschalten) . Sie gibt einen Querverweis zu den MFT-Übungen (Link). Hier:ORBIKULARISÜBUNGEN |
Wir haben bereits über die "zu kurze Oberlippe" diskutiert, die weniger als primärer Gewebeschaden vorliegt (es sei denn läsionsbedingt), sondern in Folge einer kontinuierlichen Hyperaktivität des M. mentalis entsteht und durch MFT-Übungen korrigiertv werden muss. Wie bei allen Beispielen von Erkrankungen, die hier genannt sind, wie bei allen Erkrankungen schlechthin, gibt es diese nicht in einem strengen Typus, sondern als Spektrum verschiedenster Grade. So werden wir auch die zu kurze Oberlippe’ und ihre Genese/Therapie verstehen müssen. Beachtlich ist jedoch der Erfolg einer Behandlung dieses Zustandes, wie ihn S. Codoni in ”Möglichkeiten der MFT bei Tetraspastikern” [31] beschrieben hat. Hier wurde bezeichnenderweise die manuelle Oberlippenmassage angewandt. Das soll uns zu einer kurzen, grundlegenden Betrachtung über den Muskelspasmus und seine Therapie Anlass geben. Die manuelle Massage stellt hier die Behandlung durch passive Streckung der Muskelfasern dar. Viele andere MFT-Übungen verkörpern den Typ der aktiven Streckungsbehandlung, bei der der Patient seinen Muskel durch gezielte Bewegungen selbst aus dem Spasmus führt.
Gehen wir für uns davon aus, dass dann ein Muskelspasmus vorliegt, wenn mehr oder weniger zahlreiche Fibrillen kontrahiert sind und in diesem Zustand verharren, was zu Entzündungen und Schmerzzuständen und dadurch zu Schutzspasmen im Umfeld dieser kontrahierten Fibrillen (Myogelosen) und in einen Teufelskreis führt, der expansive Tendenz besitzt. Entstanden sein kann der Primärspasmus durch eine herabgesetzte Reizschwelle im Muskel oder einen übermässigen Ruhe-/Funktionstonus. Daraus bietet sich als Therapie an, die Muskulatur umzutrainieren, aber auch den Spasmus mit Wärme, Massage (passive Dehnung der Fibrillen) und ,Turnen’ (aktive Dehnung) aus diesem Zustand zu führen (s. Myofunktionelle Therapie 2, Kapitel über Muskelspasmus). Wie versteht man unter diesem Blickwinkel die ,zu kurze’ Oberlippe? Sie ist kein Stück Stoff, das ,eingelaufen’ ist, sie ist nur im gegenwärtigen Zustand der beteiligten Weichgewebe nicht in der Lage, einen physiologischen Mundspaltschluss zu ermöglichen. Die oben angeführten Trainingsmethoden sind mühsam, aber sie führen zu einer Umgestaltung des Gewebes. Muskeltraining: TAUZIEHEN, STÄBCHENHALTEN, ,O'-SPRECHEN
I/2. (M. depressor septi) – Ähnelt der unter I/1. abgehandelten Problemstellung. Er ist einerseits der Antagonist zum Nasalis, führt jedoch häufig durch gemeinschaftliche Reaktion zum Zusammenstauchen der Oberlippe.
I/3. (M. levator labii superioris et alae nasi) Der Muskel wirkt mehr im zweidimensionalen Bereich und hat damit eine Steuerfunktion für verformende Kräfte durch Verlagerung des Mundspaltes vertikal (auf-, abwärts), besonders im Synergismus mit den Mm. Nasalis (1) und Depressor septi (2) für die mittlere wie laterale Lippenregion. Hypofunktion resultiert in einer hängenden Oberlippe, Schnullermund, Hyperfunktion im habituell offenen Mund. Er wird auch getrennt als zwei Muskeln aufgeführt als M. levator lab.sup. und M. lev. alae nasi.
I/4. (M. orbicularis oris) Nach zirkulär untergliedertem, geschichtetem und radiär verflochtenem Aufbau des Orbicularis dürfte es schwerfallen, alle Kombinationsmöglichkeiten von gradueller Hyper- beziehungsweise Hypotonie aufzuzählen. Wir wollen daher von sichtbaren Fehlhaltungen ausgehen und diese zu erklären versuchen. (Siehe auch Ausführungen zum ,Gürtel’-Vergleich auf Seite 11 und Seite 5 ).
– Hypertension ohne grossen Synergismus im Umfeld wirkt sich mehr zweidimensional aus und ergibt einen kleinen, spitzen Mund (Kirschmund). Teilhypertension der Pars maginalis zieht das Lippenrot nach innen, Grundstellung zum Beknabbern der Lippen, jeweils Ober- und Unterlippe selbständig oder gemeinsam. Im Arbeitstonus des physiologischen Schluckreflexablaufes der erste Schritt in der Reflexkette.
- das Zusammenwirken mit den senkrecht abstrahlenden Fasern und fakultativ ,Radspeichen’-Zügen resultiert im Einwirken auf Einzelzähne oder Zahnzwischenräume und zeigt meist eine Einzelzahntorsion oder Retrusion, so wie das Kollabieren des Zahnbogens.
- Hypertension der gesamten Unterlippe führt zum Hineindrücken eines Gewebewulstes zwischen Oberkiefer- und Unterkieferschneidezähne mit Schaffung von ,Stufen’ und Abstand der Fronten ("Stufen") ohne Kontaktmöglichkeit.
Wir können uns nun noch den Mundspalt nach einer Seite verzogen oder verrafft vorstellen, einseitig hängend, das Lippenrot oder die Vestibuluminnenfläche bekaut oder zwischen die Zahnkauflächen gelagert. Beobachten wir zunächst den Fehler und die Spuren, die er hinterlässt. Analysieren wir ihn dann und projizieren das Ganze auf die hier vorgestellte Muskulatur, so sollte es möglich sein, spezielle Muskelzüge für den pathologischen Zustand verantwortlich zu machen und entsprechend mit einem harmonisierenden Funktionstraining zu belegen. Muskeltraining: TAUZIEHEN, GEWICHTHEBEN, LIPPENMASSAGE, ,O'-SPRECHEN, STÄBCHENHALTEN.
Im Grunde haben wir hiermit alle Kombinationsmöglichkeiten erwähnt. Hypertension oder Hypotension im zweidimensionalen Rahmen führen zu einer Verlagerung (Verziehen) der Innen-/Aussendruckgleichgewichte (Seite 10), Hyper-/Hypotension mit der entsprechenden dreidimensionalen Komponente bei Muskeln, die anderen aufliegen, die über kurze Wege am Knochen verankert sind oder in unserem ,Gürtel-Gespann’ mitwirken, zu direkter Über- oder Unterbelastung in der zentripetalen Komponente. Unter diesem Aspekt sei noch etwas zu den Mm. buccinator und risorius gesagt: