MYONET - Atlas Musculatur Orofacial System |
Atlas Musculatur: Fehlaktionen,I,5,6,12,13 |
Erhard Thiele 17 | Atlas Musculatur Gliederung | MYONET.Gesamtprogramm inhaltsübersicht |
I/5. (Mm. buccinator und risorius) Es wurde bereits die spezielle Konstruktion des Muskelfaserverlaufes erwähnt, die es möglich macht, dass die Muskeln an der Innenseite im Vestibulum einen Wulst bilden, der parallel zu der Ebene oder Linie verläuft, in der die Zahnkauflächen von Ober- und Unterkiefer aufeinandertreffen. Physiologisch, wir haben es diskutiert, verhilft diese Vorwölbbarkeit dazu, die Nahrung beim Kauen zwischen den Kauflächen zu halten – als Gegenspieler des Zungenrandes von innen –. Der pathologische Bereich wird eingenommen, wenn bei Hypotension die zentrifugale Komponente überwiegt, oder, wenn bei Hypertension zentripetal das Hartgewebe (Zahnbogen, Alveolarvortsatz) einwärtsgekippt oder der Wulst zwischen die Zahnreihen gelagert wird zum vertikalen Pressen (Intrusion) oder Bekauen. Das kann in jeder Längenausdehnung geschehen, vom Einzelzahn oder -zwischenraum bis zum gesamten Zahnbogen, über die gesamte Länge unseres ,Gürtels’.
Muskeltraining: Als entsprechende Übung für den Seitenzahnbereich empfiehlt sich also bei Hypertonus ein Stretching, bei Hypotonie eine Anspannübung. Beides haben wir zur Verfügung in der Übung ,BALLON', die je nach Ausführung viele unterschiedliche Trainingsmöglichkeiten bietet. Es empfiehlt sich auch hier, dem Patienten die entsprechende Muskulatur bewusst zu machen. Als harmonisierende Übung eignet sich das laterale ZÄHNESPÜLEN (Wasser in die Wange pressen, herauspressen, links, rechts. Man kann das auch ohne Wasser, mit Luft tun).
I/6. (M. zygomaticus) Dieser Muskel hat einen langen Zug, wie auch die Muskeln 8, 9, 10 und 11 (Oberlippen- und Mundwinkel-heber sowie -senker), mit dem er den Mundwinkel verlagern kann. Wir diskutierten diese Variationsmöglichkeit bereits. Sie führt dazu, dass der physiologische Andruck auf die harte Schale (Zahnbogen mit Kiefer) verlagert und so unphysiologisch wird, beispielsweise bei einem eingefrorenen Grinsen aufwärts, bei hängenden Mundwinkeln abwärts (Greisengesicht). Gerade bei alten Menschen beobachtet man letzteres. In allen Fällen beginnen dadurch die Zähne dieser Region nach aussen zu kippen, was beim Eckzahn besonders schwerwiegende (gnathologische) Konsequenzen bezüglich der gesamten Funktion des Kauorgans hat. Ausserdem treten dadurch nachteilige Symptome auf wie Speichelfluss und Wundsein.
Muskelübungen: Auch hierfür kommen im Prinzip die Lippenübungen (wie beschrieben, ORBIKULARISÜBUNGEN) in Betracht. Dazu gehören die Übungen, einen Laut zu formen wie [1] und [m]. Es sei noch eine Bemerkung zu den Muskelübungen mit Hilfe der Bildung von Lauten eingefügt. Dies sind reine ,ESELSBRÜCKEN’ zur Übung bestimmter Muskelzüge. Sie haben nichts zu tun mit der Artikulation in der Phonetik, denn hier sollen dem Patienten bestimmte Bewegungen der Muskulatur bewusst gemacht und diese in der Behandlung eher unter diesem Aspekt ausgeführt werden. Beispiele: Das ”Iii” (,I'-ÜBUNG) als Gegenbewegung bei Mentalishyperaktion soll muskulär so dargestellt werden wie beim Ekeln, also mit ”Blecken” der unteren Schneidezähne. So gelangt die Kinnregion nach abwärts. Das ”Ooo”(,O'-ÜBUNG ) soll sehr spitz geformt werden, was bedeutet, dass nur die zwei Bögen des Orbicularis agieren und den Mundspalt zu einer punktförmigen Öffnung werden lassen, um diesen Muskel aufzutrainieren, die radiär verlaufenden Muskeln zu entspannen. Das ”Mmm”(,M'-HALTUNG) ist sehr hilfreich, um die gesamte Mundspaltmuskulatur in einen Ruhetonus zu über führen, wenn man darauf achtet, dass es sehr leicht und nur gerade am Lippenschluss gebildet wird, ohne Zahnkontakt. (Hierzu gehört das zart angedeutete ”Lll”(,L'-HALTUNG ) im Mundinnern, also mit der Zunge an der Inzisalpapille. Mit der Übung ,L-M'-HALTUNG kann man dem Patienten eine Orientierung geben für die Ruhehaltung im stomatognathen System).
I/12. (M. mentalis) Wie schon häufig angedeutet, stellt dieser Muskel ein besonderes Problem dar. Er kann durch seinen Aufwärtsschub nicht nur das über ihm befindliche Muskelgewebe mit dessen Andruck cranial verlagern, sondern auch durch Aufstauchen abheben und so neutralisieren. Er selbst kann die Unterlippenweichteile gegen die untere Frontpartie rammen (dieses Wort ist hier mit Bedacht gewählt) und so erheblichen direkten Schaden durch Schleimhaut- und Knochenläsionen, aber auch, wie die anderen Muskeln, indirekten Schaden durch langzeitig verbiegenden Druck anrichten. Ein Aufbauschen der Verstibuluminnenwand führt, wie besprochen, zu Zwischenlagern eines Weichteilwulstes zwischen die Frontbögen.
Muskelübungen: Vor dem Spiegel kontrolliertes Bewegen. Hilfe: ”Iiiii”-Sprechen (,I'-ÜBUNG).
I/13. (M. platysma myoides) Dieser Muskel wirkt eher über die unteren Gesichtsmuskeln, in die er hineinstrahlt. Die Patienten fallen auf durch die charakteristische Anspannung und Maserung der Halshaut. Tiefes Einatmen wie nach Luftanhalten spannt ihn mit an und zeigt Reaktionen bis hinein in die Sirnmuskulatur. -- Hier soll in einer Zwischenbemerkung nochmals auf die Diskrepanz zwischen chirurgischen Massnahmen und Muskelfunktionstherapie eingegangen werden: Das Altersgesicht, wie es beispielsweise in der Übung ,MOI’ berücksichtigt ist, kann durch gezielte myofunktionelle Übungen rechtzeitig aufgefangen oder auch regeneriert werden. Eine chirurgische Massnahme bei Muskeldysfunktionen führt kurzfristig (möglicherweise) zu dem Gewünschten Erfolg und Erscheinungsbild, langfristig verharren die Muskeln jedoch nach wie vor in einem unphysiologischen Tonus und lassen so das erzielte Ergebnis dahinschwinden. Hier kann nur ein "Umerziehen"der Muskulatur beziehungsweise das bewusste Training des Patienten nach dem wiederholt beschriebenen Schema: Sensibilisierung, OrientierungDas gilt auch für die Stirnmuskulatur [M. frontalis, M. procerus, M. corrugator supercilii, M. corrugator glabellae (Bezüglich Anatomie und Funktion siehe auch Link: http://www.iatrum.de/muskeln/gesichtsmuskeln.html ) ].
-- Vornehmlich allerdings wirkt der Platysmamuskel nicht direkt im orofazialen Gebiet (I), sondern eher in der Halsregion (VI). Wir sollten ihn also in diesem Zusammenhang besprechen.
Die weitere Einteilung in die folgenden Gebiete ist willkürlich und wurde als Übersichtshilfe vorgenommen. Meist genügt eine Zweigliederung in Supra- und Subhyoidmuskulatur, die Überzungenbein- und die Unterzungenbein- muskeln. Da für uns jedoch der Begriffsbereich Zunge und Mundboden besondere Bedeutung hat, sollen diese beiden Bereiche in speziellen Kapiteln besprochen werden, wobei es dann Überschneidungen geben wird. Das gilt besonders für die suprahyoide Muskulatur, bei der Muskelzüge sowohl wichtiger Bestandteil der Zunge sind als auch einen Teil des Mundbodens bilden oder für die Bewegung oder Fixierung des Zungenbeins sorgen. Ein solcher "einteilungssprengender" Muskel ist der Omohyoideus, der deutlich macht, dass der Unterkiefer beziehungsweise die Zunge direkt mit dem Schulterblatt muskulär verbunden ist. Es müssen also zwangsläufig bei Zungen- und Unterkieferbewegungen Muskelreaktionen im Schultergürtel ablaufen. Für Zweifler sei nur erwähnt, dass selten ein Mensch in der Lage ist, einen einzelnen Finger zu bewegen, ohne dass es in einem anderen zuckt. Wieviele Menschen verziehen das Gesicht bei der manuellen Tätigkeit, besonders bei Konzentration oder Anstrengung.